Wenn der ICE in Einöd strandet – Schauspieler und Zuschauer sitzen in Stollberg im selben Zug

Polizist Konrad (René Kaps) wird von den trinkfreudigen Kegelschwestern umgarnt. Bild: Ramona Schwabe
Von Michael Urbach
„Es fährt kein Zug nach Irgendwo“ verwischt die Grenzen zwischen Bühne und Publikum. Thea(l)ternativ überzeugt durch Spielfreude und lässt das Publikum eigene Bahnerlebnisse wiedererkennen.
Stollberg.
Wer quatscht denn da so ungeniert im Publikum? Spätestens als die Bahn-Beamtin (Cornelia Seidel) im Bürgergarten die Fahrkarten der Besucher kontrollierte, dämmerte dem Letzten, wer sich da untergemischt hatte: Schauspieler und Zuschauer saßen buchstäblich im selben Zug – und das Theaterstück hatte längst Fahrt aufgenommen. „Wir starten anders, als es die Leute von uns gewohnt sind“, hatte Regisseur Christian Schreier angekündigt – und nicht zu viel versprochen.
Die Fahrt endete jedoch abrupt: im trostlosen Provinzbahnhof Einöd. Dort musste der ICE 6948 außerplanmäßig halten – ohne Handyempfang, ohne Taxis, ohne Aussicht auf Weiterfahrt. Erst waren es ein paar Minuten Verspätung, dann eine Stunde, schließlich unbestimmte Zeit.

Bahnhofs-Begegnung: Landstreicher (Denny Utzmann) trifft auf Geschäftsfrau (Alexandra Dietze).Bild: Schwabe
Psychopathin an Bord? Ordnungshüter sorgt für Panik in der Komödie
In Winnie Abels Komödie „Es fährt kein Zug nach Irgendwo“ stranden auf diese Weise lauter Typen, wie sie das Leben selbst kaum bunter schreiben könnte, auf der Bühne: die trinkfreudigen Kegelschwestern Thea (Anja Arnold), Bärbel (Konstanze Woboda) und Larissa (Anett Oesterreich) samt Vereinsmotto „Kegel, Kugel, Kater“, die gestresste Geschäftsfrau Victoria (Alexandra Dietze), die unerschütterliche Motivationstrainerin Peggy Power (Katrin Zeidler), Verschwörungstheoretikerin Harriet (Tina Rudolph), die aufgedrehte Touristin Stacy (Lorin Gräbner) und das zerstrittene Ehepaar Christa (Verena Oettler) und Klaus (Uwe Seidel). Landstreicher Reinhold (Denny Utzmann) und Polizist Konrad (René Kaps) komplettieren das Panoptikum, das vollends ins Chaos stürzt, als der Ordnungshüter verkündet, an Bord könnte sich eine Psychopatin (Rebecca Alt) befinden.

Die Bahn-Beamtin (Cornelia Seidel) prüft im Publikum die Fahrkarten.Bild: Schwabe
Weitere Vorstellungen im kommenden Jahr geplant
Das kurzweilige Stück überzeugt mit Situationskomik, pointierten Dialogen und vor allem durch die Spielfreude der Thea(l)ternativ-Mitglieder, die konsequent in ihre Rollen schlüpfen. Abgeholt wurde das bestens unterhaltene Publikum auch dadurch, dass wohl viele schon selbst Bahn-Erfahrungen gesammelt haben. (urm)
Weitere Vorstellungen finden am 31. Januar sowie 7. und 8. März statt. Karten gibt’s ab 1. Dezember bei Buch + Kunst in der Herrenstraße in Stollberg sowie per Bestellung an karten@thealternativ.de.
(Freie Presse vom 03.11.2025)