Reichlich gelacht trotz "Toxischer Verwandtschaft"
Thea(l)ternativ im Großenhainer Alberttreff: Gewitzte Inszenierung mit Hingabe und Liebe zum Detail

Pressefoto Großenhain



VON STEFAN JÄNKE
Komisch: Noch bevor ich den Saal zum Theaterabend betrat, wurde ich von der Polizei um Mithilfe gebeten. Die korpulente Beamtin hielt mir ein ziemlich schlechtes Polaroid-Foto vor die Nase und fragte, ob ich die Person in der Mitte, die nur verwaschen zu sehen war, wieder erkennen würde. Offenbar wussten auch die anderen zahlreich erschienenen Gäste nichts mit der abgebildeten älteren Dame (etwa 70, wahrscheinlich Perückenträgerin) anzufangen, bis - jawohl, bis sie auf der Bühne erschien und sage und schreibe 10 000 Euro einfach so verschenkte!!! Kein Wunder, dass die verrückte Alte von der Polizei gesucht wurde. In Form von 500er- Scheinen brachte die Gute ihre Kohle an den Mann/die Frau - das Publikum hätte fast auch was abgekriegt...

14 Mimen und dazu technisches Personal waren aus Stollberg angereist, um am Sonnabend im Alberttreff ihr aktuelles Stück "Toxische Verwandtschaften" von Arno Boas aufzuführen. Was für Großenhain die "Spielbühne" ist, stellt für Stollberg die Theatergruppe "Thea(l)ternativ" dar, wobei der Name nicht auf alternatives Theater, sondern auf "Theater als Alternative" verweisen soll. In Großenhain - die Gruppe verbindet eine Theaterfreundschaft mit der "Spielbühne", gastierte hier demzufolge nicht zum ersten Mal - fand sich ein interessiertes Publikum, das gespannt und aufmerksam unter Beachtung der vielen Details zuschaute, ausgesprochen applaudierfreudig war und herzlich lachte, wenn es Gelegenheit dazu gab. Und die gab's oft! Mit großer Hingabe und Liebe zu den Details gestaltete die Amateurgruppe das Stück, das selbst sicherlich nicht zu den großen Würfen der Theatergeschichte gehört. Allerdings erhielt es durch die gewitzte Umsetzung und geschickt eingesetztes Lokalkolorit den nötigen Drive, um bis zum Schluss spannungsvoll zu bleiben. Neben der komödiantischen Ebene, die den aktuell im Fernsehen inflationierenden Comedy-Sendungen nacheiferte, war dem Stück noch ein ernster Hintergrund einkonstruiert, der einem hin und wieder das Lachen im Halse stecken bleiben ließ. Etwa, als die braven Familienmitglieder einander mit Rattengift an den Kragen wollten. Wie bösartig es doch in so einer Familie zugehen kann! "Aber das kennen Sie ja sicher von Ihren eigenen familiären Verhältnissen", las man dazu im liebevoll gestalteten und keine Unkosten scheuenden, weil auf Glanzpapier gedruckten Programm.

Die Laienspieler hatten im Übrigen die Regie selbst in die Hand genommen. Hauptdarsteller Kay Haberkorn, der oben erwähnte "verrückte" Alte spielte, zeichnete hierfür verantwortlich. Die Besetzung der einzelnen Rollen war ausgesprochen glücklich vorgenommen worden. Jeder Darsteller hatte sich hervorragend in die jeweilige Rolle "eingelebt", so dass dem Publikum die Klischees unverfälscht unter die Nase gerieben werden konnten. Großen Anteil am Gelingen der Aufführung hatte schließlich ohne Zweifel Michael Ö. Arnold, der in seiner Rolle einen Sprachfehler konsequent durch das ganze Stück schleifte und so regelmäßig für Lacher sorgte.

(Sächsische Zeitung vom 20. Januar 2003)