Mit reiner Frauentruppe schlägt die Stunde der Wahrheit
Premiere des neuen Bühnenstücks im Stollberger Theaterpädagogischen Zentrum ausverkauft - Regisseur: „Frauen auf die Bühne!"

Von Michael Urbach

Stollberg. Ausschließlich Frauen tummelten sich am Wochenende auf der Bühne des Stollberger Theaterpädagogischen Zentrums. Und was für welche! Isadora ist gelinde gesagt herrisch, Klara eine ausgemachte Emanze und Elsbeth „von nicht weit her". Allesamt sind sie Schwestern, hören auf den feudalen Namen „von Berg" und wohnen mit ihrem Hausmädchen diffuser Herkunft namens Luise unter einem Dach. „Die Stunde der Wahrheit" hatte am Samstag Premiere.

Wenigstens letztere ist nett, einen Lohn für ihre Arbeit bekommt sie von den drei alten Damen trotzdem nicht. Als die feine Nachbarin der altjungferlichen Wohngemeinschaft eines Tages noch eine Leiche im Garten findet und sogleich mit einer dem Mammon ebenso wenig wie Branntwein abgeneigten Wahrsagerin im Schlepptau anrückt, sind die Voraussetzungen für ein Kriminalstück fast perfekt. Ein falscher Kommissar - natürlich eine als Mann verkleidete Frau - und ein richtiger Geist, der immerzu von einem „Schlüssel zu einem Geheimnis" spricht, komplettieren die Szenerie.

Spaßig wird das keineswegs bierernst angelegte Stück von Autorin Samira Rippegather vor allem dann, wenn der optisch durchaus Respekt einflößende Geist mit Hilfe des Körpers der Nachbarin zur versammelten Belegschaft des Anwesens spricht, da die Wahrsagerin, eigentlich mit den spirituellen Angelegenheiten im Hause betraut, lieber mit ihrer Flasche kommuniziert.

Was nach einem Krimi inklusive zünftiger humoristischer Einlage klingt, ist es auch. „Das Publikum erwartet mittlerweile immer etwas Lustiges von uns", meint Schauspieler Rene Kaps, im aktuellen Stück ebenso wie die restlichen maskulinen Mimen arbeitstechnisch von der Schauspielerei verhindert. „Würden wir etwas Bitterernstes spielen, wären die Leute wahrscheinlich schockiert." Zudem könne er sich nicht vorstellen, „dass die Menschen wegen einem Trauerstück ins Amateurtheater gehen". Die rund 280 Zuschauer der ausverkauften Vorstellung kamen, am Applaus gemessen, voll auf ihre Kosten. Ein sichtlich glücklicher Regisseur Michael Ö. Arnold hielt inmitten des Beifalls fest: „Was heißt, Frauen gehören an den Herd? Frauen gehören auf die Bühne!" (Freie Presse vom 10. November 2004)