Gelächter in der Giftküche
Thea(l)ternativ nach Premiere von "Toxische Verwandtschaft" für Spielfreude gefeiert
VON ELKE GÖPFERT
Stollberg.
Auch wenn die Stimme, der Umgang mit Hut und Tasche das Bild der Grand-Dame oder besser
Fernsehfilm-Mutter der Nation, sprich Inge Meysel, hervorzauberte, Jolanta, Hausbesitzerin und Oma im,
neuesten Spektakel der Thea(l)ternativ-Mimen, lebt durch und mit Kay Haberkorn. Das ist das erste Lob,
das nach dem Genuss den Machern und Gestaltern der überaus gelungenen, diesmal etwas anderen
Inszenierung "Toxische Verwandtschaft" zu vergeben ist. Das zweite, von Herzen und durch viel Beifall
unterstrichene Kompliment gilt der unverkennbaren Spiellaune des Stollberger Laienensembles am
Theaterpädagogischen Zentrum. Allen voran wohl Michael Örni Arnold, ohne natürlich Carmen
Günnel, Wolfgang Schlegel, Susanne Richter, Gabi Lengsfeld, Alexandra Böhm, René Kaps,
Steffi Hofmann, Jan Edelmann, René Turek, Ursula Unger und Kerstin Großam in ihren
großen und kleinen Rollen zu vernachlässigen oder gar deren Einsatz, der bis zum Sprung auf
den Tisch führte, zu schmälern.
Diese eingeschworene Gemeinschaft hat für ihr neuestes Werk eine Komödie von Arno Boas
ausgewählt. Der Franke genehmigte für seine "Giftige Verwandtschaft" kreative Änderungen
im Text, so dass am Schluss eine mit viel sächsischem, also erzgebirgischem Lokalkolorit gespickte
Kriminalkomödie herauskam, die nicht nur die Lachmuskeln des Premierenpublikums strapazierte,
sondern auch den gewünschten und vom Ensemble im selbstgestalteten Theaterheft prophezeiten
Nebeneffekt zeitigte: Aha, so haben die auf der Bühne da also Spießertum, Raffgier,
Famillenneid und Eifersüchteleien, aber auch Verständnis, Zuwendung, Geborgenheit und Liebe
verstanden und weitergereicht an das, wohl vom Aha-Effekt selbst überraschte und deshalb mit Beifall
nicht geizende Publikum.
Die Rezeptur war in dem Sinne zwar einfach zu handhaben, aber in der Leichtigkeit des Seins eher schwer
zu machen. Denn in einer solchen Giftküche kann ein zuviel an Zucker für den Affen leicht
übersüßt schmecken und deshalb in der toxischen Wirkung auf die Verwandtschaft zu
unliebsamen Nebenwirkungen abgleiten. Dem beugte Kay Haberkorn, Theatervereinschef als Regisseur mit
Pfiff vor. Nicht nur, dass er die beste männliche Jolanta in dieser Region ist, sein Humor und der
seiner Darsteller ist ein eher bodenständiger, also hiesiger Spaß. Hinzu kommt, dass die
Thea(I)ternativen nicht nur auf, hinter, unter und neben der Bühne agieren, es macht ihnen
Spaß, Publikum zu unterhalten, sich zu verwandeln und zu zeugen, dass den Leuten aufs Maul und
über die Schultern schauen, Unterhaltung pur sein kann. So gesehen, hätte Inge Meysel der
Kay-Jolanta und ihrer Verwandtschaft gern in der Giftküche geholfen.
(Freie Presse vom 04. November 2002)