Oh, Schreck: "Plötzlich waren alle Männer weg"
Proben fürs neue Stollberger Thea(l)ternativ-Stück laufen -
Premiere ist im November

Von Michael Urbach
STOLLBERG.
Eigentlich hatte der Mann mit dem Ö. im Namen alles ganz anders geplant. Für ein Jahr zurückziehen aus
der Gruppe Thea(l)ternativ wollte er sich. Doch dann haben die Mitspieler alles daran gesetzt,
Michael Ö. Arnold zu überreden, doch wieder einmal Regie zu führen. "Lange betteln mussten
sie allerdings nicht", gesteht der Regisseur. Das ist nicht weiter verwunderlich: Handelt es sich beim neuen
Projekt "Die Stunde der Wahrheit" doch um ein reines Frauen-Theaterstück. Arnold ist quasi der Hahn
im Korb.
Dass im aktuellen Bühnenstück nur der weibliche Teil des Stollberger Ensembles zum Einsatz kommt,
hat einen simplen Grund. "Plötzlich waren alle Männer weg", meint Schauspielerin Alexandra
Böhm. Kai Haberkorn und Sascha Wildenhain, bekannt als Barhocker-Kabarettisten, konzentrieren sich
momentan auf eben jenes, die weiteren männlichen Mimen sind beruflich verhindert. Männer hin,
Frauen her - nach dem kurzen, wenn auch erfolgreichen Ausflug in die Welt des Kriminal-Theaters mit
"Zehn kleine Negerlein" unter Leitung von Susanne Richter, kehrt man nun zu den komödiantischen
Wurzeln zurück.
Autorin des auserkorenen Stücks ist Samira Rippegather. Arnold verzichtet diesmal darauf,
größere Veränderungen des Originals vorzunehmen. Nichtsdestotrotz wartet eine Menge Arbeit auf
den Regisseur und seine Truppe, schließlich ist die Premiere für Anfang November anberaumt, und momentan
dominieren noch die Textblätter das Geschehen auf der Bühne.
Geheimnisvoll angehaucht scheint die Handlung des Rippegather-Werkes, schließlich ist ein Mord
aufzuklären, der auf dem Grundstück dreier alter Schwestern geschah. Eines dieser Weibsbilder
ist recht hysterisch veranlagt, während ein anderes vortrefflich mit dem Attribut "treudoof" zu
betiteln ist und Schwester Nummer drei als ausgemachte Emanze durchs Leben geht. Wahrsagerin Esmeralda,
dem hochprozentigen Trunke nicht gänzlich abgeneigt, sowie die Nachbarin und eine Polizistin sind
bestrebt, den Sachverhalt aufzuklären. Freilich, nicht ohne dabei zufällig allerlei sonderbare
Geheimnisse zu lüften.
Die Indizien sprechen für ein Kriminalstück, tatsächlich handelt es sich aber, wie erwähnt,
um eine Komödie, was auch die Atmosphäre der Proben unschwer vermittelt. "Thea(l)ternativ soll
vor allem Spaß machen, in erster Linie den Zuschauern und nicht zuletzt uns", philosophiert Arnold.
Auch Teresa Weißbach ("Sonnenallee"), just auf Heimaturlaub in Stollberg, schaute mal beim
donnerstäglichen Testlauf der alten Freunde und Kollegen vorbei. Lust habe sie schon, wieder mit
ihnen auf der Bühne zu stehen. "Allerdings ist auch die ungewohnte Zuschauerperspektive interessant."
Recht hat sie damit. Und ab 6. November kann sich jeder Freund gepflegter Unterhaltung im
Theaterpädagogischen Zentrum selbst davon überzeugen.
(Freie Presse vom 03. September 2004)